Ehrenrunden in der Hypnosystemik
Warum wir bestimmte Muster wiederholen – und wie wir sie würdigen und utilisieren können
„Warum passiert mir das schon wieder?“ – Eine Frage, die viele Menschen stellen, wenn sie feststellen, dass sich bestimmte Schwierigkeiten oder Muster in ihrem Leben wiederholen. In der hypnosystemischen Arbeit gibt es dafür einen besonderen Begriff: Ehrenrunden.
Ehrenrunden sind ein zentrales Konzept, das von Dr. Gunther Schmidt, dem Begründer der Hypnosystemik, geprägt wurde. Und sie bieten eine komplett andere, überraschend wertschätzende Perspektive auf menschliches Verhalten.

Was sind Ehrenrunden?
Ehrenrunden beschreiben Wiederholungen von Denk-, Fühl- oder Verhaltensmustern, die scheinbar „schon längst hinter uns liegen sollten“, aber dennoch erneut auftauchen. Statt sie als Rückfall, Scheitern oder Versagen zu interpretieren, versteht die Hypnosystemik sie als:
👉 Wiederholte Versuche des inneren Systems, etwas Wichtiges zu schützen oder zu erfüllen.
Das heißt:
Wenn ein Muster wiederkommt, dann hat es eine gute Absicht – auch wenn es sich unangenehm oder hinderlich anfühlt.
Warum treten Ehrenrunden auf?
Ehrenrunden entstehen häufig dann, wenn:
- eine Situation alte innere Alarmanlagen bzw. neuronale Netzwerke aktiviert
- ein früherer Schutzmechanismus erneut Sinn zu machen scheint
- eine neue Herausforderung unbewusste Unsicherheiten berührt
- innere Anteile bzw. Seiten glauben, sie müssten „auf Nummer sicher gehen“
Hypnosystemisch betrachtet versucht das innere System also konsistent, loyal und schutzorientiert zu reagieren – selbst dann, wenn das Verhalten heute nicht mehr hilfreich ist.
Kurz gesagt:
➡️ Ehrenrunden sind eine Kompetenz, die nur noch nicht optimal aktualisiert ist.
Die wertschätzende Haltung der Hypnosystemik
Während andere Modelle Rückschritte pathologisieren, betrachtet die Hypnosystemik Ehrenrunden als natürliche Phänomene menschlicher Entwicklung. Es geht nicht darum, sich die Wiederholung schönzureden, sondern ihre gute Absicht zu würdigen.
Hypnosystemisches Grundprinzip:
Jedes Verhalten erfüllt in einem bestimmten Kontext eine sinnvolle Funktion.
Diese Haltung ermöglicht es Klient*innen, nicht in Selbstkritik zu versinken, sondern neugierig auf die innere Dynamik zu schauen.
Wie können Ehrenrunden utilisiert werden?
1. Würdigen statt bekämpfen
Das ist der wichtigste Schritt.
Wenn etwas wiederkommt, will es nicht „stören“, sondern „schützen“.
Eine typische hypnosystemische Frage wäre:
- „Wovor möchte dieses Muster bzw. diese Seit dich gerade bewahren?“
2. Die gute Absicht sichtbar machen
Oft sind Muster entstanden, um früher:
- Orientierung zu geben
- Kontrolle zu behalten
- Nähe oder Distanz zu regulieren
- Bedrohung zu vermeiden
Wenn die Funktion klarer wird, entsteht Raum für Alternativen.
3. Neue Optionen anbieten
Die Hypnosystemik arbeitet stark ressourcenorientiert und nutzt Methoden wie:
- innere Aufstellungsarbeit
- Tranceprozesse
- Zukunftsprojektionen („Wie würde ein kleiner Schritt in Richtung deiner gewünschten Version aussehen?“)
- somatische Marker
Ziel ist, dem inneren System bessere Strategien anzubieten, die dieselbe positive Absicht erfüllen – nur hilfreicher.
4. Selbstempathie entwickeln
Statt zu denken: „Ich schaffe es wieder nicht“, kommt ein neuer Gedanke: „Ah – ein Teil von mir meint es gut mit mir. Er braucht gerade Sicherheit.“
Diese freundliche Seite gegenüber sich selbst verändert die innere Dynamik enorm.
Warum der Begriff „Ehrenrunde“ so kraftvoll ist
Er reframed das Geschehen vollständig:
- Ehrenrunden ehren den bisherigen Weg.
- Sie zeigen, dass ein System treu arbeitet.
- Sie erlauben, Entwicklung ohne Druck zu betrachten.
- Sie fördern eine Haltung von Würde, Respekt und Selbstzuwendung.
Und: Der Begriff nimmt den Stress heraus, perfekt funktionieren zu müssen. Lernen passiert eben nicht linear – sondern prozessartig in Entwicklunsspiralen.
Fazit: Ehrenrunden sind Entwicklungshelfer
Ehrenrunden gehören zum Leben dazu. Sie sind kein Rückfall, sondern ein Hinweis:
Ein innerer Teil arbeitet noch nach alten Landkarten und braucht Orientierung.
Die hypnosystemische Sichtweise eröffnet damit einen Weg, Muster nicht als Probleme, sondern als Einladungen zu verstehen – als Chance, sich selbst besser kennenzulernen und zugleich zu würdigen.
Wer Ehrenrunden als solche erkennt, gewinnt Selbstwirksamkeit, innere Klarheit und oft erstaunlich viel Gelassenheit.








