ADHS: Wie kann ich meine Impulse besser kontrollieren?

Florian Friedrich • 7. Mai 2023

Impulskontrollstörungen bei Borderline und ADHS

Menschen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) oder Borderline tun sich oft schwer, mit starken Gefühlen gut umzugehen und diese zu regulieren. Sie bekommen dann etwa Wutausbrüche, zerschlagen Gegenstände, schreiben Hassnachrichten, schreien den Vorgesetzten an oder werden von Traurigkeit und Selbsthass überflutet. Zudem können sie mit Kritik, Rückmeldungen und Feedback schwer umgehen.

Manchmal, etwa nach einem Wutausbruch, haben die Betroffenen starke Schuldgefühle, es tut ihnen dann leid. Im tiefsten Innersten stimmen das Verhalten und der Kontrollverlust nämlich für die Betroffenen nicht, und sie bereuen ihre Taten.


Lesen Sie in diesem Artikel, wie Sie Ihre Impulse besser kontrollieren können.

ADHS: Wie kann ich meine Impulse besser kontrollieren?

Gefühle und Emotionen können nicht mehr reguliert werden

Bei impulsiven Handlungen verlieren Menschen oft jegliche Kontrolle über ihre Handlungen und ihr Verhalten. Impulsives Verhalten findet sich oft bei Menschen mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung), ausgeprägtem Narzissmus, Hysterie, Borderline oder dissozialen Persönlichkeitsstörungen.


Verhaltenstherapeutische Strategien zur Reaktionsverzögerung

Folgende Fragen und Strategien zur Reaktionsverzögerung können Ihnen hier helfen. Diese Strategien kommen aus der Verhaltenstherapie.

  1. Was genau ist passiert? Worin bestand die impulsive Handlung?
  2. Was kann ich genau tun, um in dieser oder ähnlichen Situationen Zeit zu gewinnen (etwa eine Nachdenkpause, die Situation verlassen, bis zehn zählen, fünfmal tief durchatmen, die eigenen Emotionen beobachten …)?
  3. Auch wenn die Handlung, die ich bereue, schon in der Vergangenheit liegt: Wo hätte ich mir im Nachhinein Zeit verschaffen können und auf welche Weise? Wo kann ich mir beim nächsten Mal mehr Zeit verschaffen, bevor ich handle?


Übung macht den/die Meister*in

Vergessen Sie nicht, beim nächsten Mal neue Handlungsstrategien auszuprobieren. Falls Sie vergesslich sind, können Sie auch einen vertrauten Menschen bitten, Sie zu unterstützen und Sie zu erinnern. Oder Sie bedienen sich Hilfsmittel, wie etwa Erinnerungsgegenstände bzw. visueller Hilfen wie Memos oder Post-its. 

Und vergessen Sie nicht: Sie dürfen mit sich geduldig sein. Es dauert Zeit, Übung und Training, neue Verhaltensstrategien aufzubauen und schädliche Verhaltensweisen umzulernen oder abzubauen. Ehrenrunden in alte Verhaltensweisen sind normal und gehören zu persönlichen Entwicklungsprozessen dazu.

Neue Verhaltensweisen müssen sehr oft wiederholt werden, bevor wir sie verinnerlicht haben. Üben und trainieren Sie deshalb in jeder schwierigen Situation, Ihre Strategien zur Reaktionsverzögerung anzuwenden.

STOP Schild: die STOP Technik bei ADHS

Die STOPP-Technik bei Impulskontrollstörungen

Die Stopp-Technik ist ein wesentlicher Baustein im verhaltenstherapeutischen Kompetenztraining von Menschen mit ADHS, kann aber auch Menschen mit Borderline, Narzissmus usw. helfen. Die Kontrolle über die Impulse erfordert viel Übung, Zeit und Geduld mit sich selbst und geht mittels psychologischer und psychotherapeutischer Begleitung leichter.


Mittels innerem Monolog (Selbstverbalisation) und sich Zeit-Verschaffen (Reaktionsverzögerung) können konstruktivere Verhaltensweisen trainiert und eingeübt werden.

Die Technik besteht aus:

  • STOPP
  • DENKEN
  • PRÜFEN
  • TUN


Beachten Sie:

  • Es ist sinnvoll, dieses Prinzip zunächst bei einfachen Aufgaben im Alltag zu üben.
  • Sie können sich selbst eine Stopp-Karte schreiben.
  • Sie können sich zudem, bevor Sie handeln, laut oder innerlich „Stopp!“ sagen und sich dann Zeit verschaffen, um ihre Verhaltensweise genau zu überlegen und zu planen. Wichtig ist der Dreischritt aus 1. denken, 2. prüfen, 3. tun.
  • Es kann hilfreich sein, die drei Schritte laut auszusprechen. Im Laufe der Zeit und des Trainings können Sie das Aussprechen weglassen und den Dreischritt gedanklich planen.

Film: "Stop think do"

In diesem Video wird die STOPP Technik vorgestellt.


Beispiele für die Stopp Technik

IMPULSIVE HANDLUNG 1:

 Ich arbeite gerade für meinen Beruf. Mein Smartphone liegt neben mir und ich höre, dass auf WhatsApp eine neue Nachricht reingekommen ist. Ich nehme mein Smartphone und lese die Message.


KONSEQUENZ: Ich unterbreche meine Arbeit, die ich dann nicht mehr fortführe. Ich beantworte die Nachricht, und es ergibt sich ein Chat, der 15 Minuten dauert. Danach surfe ich eine Stunde im Internet herum und verliere mich darin. Mein Vorgesetzter mahnt mich, weil ich meine Arbeit nicht vollendet habe.


STOPP!

VERÄNDERTE KONSEQUENZ:

STOPP. Ich arbeite weiter und lege das Handy bewusst zur Seite oder sogar in einen anderen Raum. Ich konzentriere mich jetzt ganz auf meine Arbeit. Erst später werde ich mein Smartphone wieder nehmen und Messages lesen. Dadurch geht mir ein Zeiträuber verloren und ich kann strukturiert arbeiten.



IMPULSIVE HANDLUNG 2:

Eine verlässliche Freundin, mit der ich heute Abend ins Kino gehen wollte, sagt mir ab, weil sie sehr viel Stress mit ihrer Familie hat. Ich rufe sie an, schimpfe sie lautstark, mache ihr Vorwürfe, klage sie an und stelle unsere Freundschaft in Frage.


KONSEQUENZ:

Die Freundin reagiert ihrerseits wütend und distanziert sich von mir. Wir reden ein paar Tage nichts, dann treffen wir uns wieder, aber meine Vorwürfe haben sie sehr gekränkt. Ich selber bereue meine Vorwürfe und meinen Wutausbruch. Ich habe Schuldgefühle, weil diese Freundin ansonsten sehr zuverlässig und verlässlich ist. Es stimmt im tiefsten Innersten nicht für mich, dass ich meinen Frust an ihr ausgelassen habe. Ich habe mich verfehlt.


STOPP!

VERÄNDERTE KONSEQUENZ:

STOPP. Ich sage meiner Freundin, dass ich mir zehn Minuten Zeit nehmen möchte, um mich zu sammeln. In zehn Minuten werde ich sie zurückrufen.

In diesen zehn Minuten achte ich darauf, gut mit meiner Enttäuschung und mit meinem Frust umzugehen. Ich trinke ein Glas Wasser und mache ein paar Atemübungen.

Danach rufe ich meine Freundin an und sage ihr, dass ich Verständnis habe. Immerhin hat sie ja privat gerade viel Stress. Wir machen uns einen neuen Termin für unseren Kinobesuch aus.

Ins Kino gehe ich heute allein, immerhin wollte ich ja den Film so gerne sehen, und auf diese Weise kann ich auch einmal die neue Erfahrung sammeln, wie es ist, alleine ins Kino zu gehen.

Homosexualität - Was kann mir helfen, mich selber zu akzeptieren?
von Florian Friedrich 12. September 2025
Auch Schwule, Lesben und Bisexuelle sind homophob Kein Mensch ist völlig frei von Homonegativität bzw. Homophobie. Wir alle haben Tendenzen dazu, so auch LGBs (schwule Männer, lesbische Frauen und bisexuelle Menschen). Lesen Sie in diesem Artikel, was Ihnen helfen kann, sich selbst zu akzeptieren.
Ängste, Zwänge:  Tipps zum Umgang mit zwanghaften Gedanken
von Florian Friedrich 12. September 2025
Zwangsgedanken und Katastrophenphantasien Viele Menschen, die unter Ängsten, Zwängen und Zwangsstörungen leiden, haben sehr angstmachende Gedanken, Katastrophenphantasien und Zwangsgedanken. Sie neigen zu stundenlangem Grübeln, verlieren sich selbst darin und vergeuden ihre Lebenszeit. Oder sie versuchen diese Gedanken zu unterdrücken, sich diese zu verbieten und abzustellen, was enorm viel Energie und Kräfte kostet und nicht lange gelingt. Denn je mehr wir etwas (Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse) verdrängen, desto mächtiger kann es werden. Ich möchte hier eine Methode vorstellen, die sich "Defusion" nennt und die aus der Verhaltenstherapie (der Akzeptanz- und Commitment-Therapie) kommt. Lesen Sie in diesem Beitrag Tipps, um einen besseren Umgang mit Ängsten und zwanghaften Gedanken zu finden.
Zwang und Zwangsstörungen: Tipps zum Umgang mit Zwangshandlungen
von Florian Friedrich 12. September 2025
Wie kann ich Zwänge oder Zwangshandlungen loswerden? Nicht immer ist es möglich, alle Zwänge oder Zwangshandlungen loszuwerden. Allerdings können Sie lernen, besser mit sich selbst und Ihren Zwängen umzugehen, sodass diese Zwänge im Laufe der Zeit als Nebeneffekt immer weniger werden. Lesen Sie in diesem Beitrag Tipps, Ideen und Anregungen, wie Sie Ihre Zwangshandlungen besser in den Griff beko mmen und wie Sie anders damit umgehen können. Ich biete psychologische Hilfe und Psychotherapie an, wenn Zwangsstörungen, Zwänge oder Zwangshandlungen Ihre Lebensqualität vermindern.
Psychische Gewalt: Wie kann ich mich vom Täter lösen?
von Florian Friedrich 12. September 2025
Verinnerlichte Täter*innen und Täter*innen-States Lebe ich in ein er toxischen zwischenmenschlichen Beziehung oder Partnerschaft und werde von meinem/meiner Partner*in chronisch psychisch, körperlich oder sexuell gewaltvoll behandelt, so nehme ich im Laufe der Zeit den/die Täter*in in mein Inneres hinein, ich verinnerliche ihn/sie also. Es bilden sich dann neue schädliche, maligne oder Täter*innen-loyale Ich-Zustände, die sogenannten „Ego-States“ aus, die ich hier umgangssprachlich als „innere Täter*innen“ oder „Täter*innen-States“ bezeichne. Innere Täter*innen können mich massiv unter Druck setzen, mich mit Angst, Schuldgefühlen, Panik, Ohnmacht und Hass überfluten und mich handlungsunfähig machen. Ich fühle mich dann unsicher, hilflos und stark beeinträchtigt. Lesen Sie in diesem Beitrag Tipps und Anregungen, wie Sie sich vom (auch verinnerlichten) Täter/von der Täterin lösen können. Ich biete psychologische Hilfe und Traumatherapie an, wenn Ihnen psychische oder sexualisierte Gewalt widerfährt.