Warum wir oft zu lange in toxischen Beziehungen bleiben
Ein Blick auf das Bindungssystem
Viele Menschen kennen das: Man ist unglücklich in einer Partnerschaft, merkt, dass etwas nicht stimmt, aber trotzdem bleibt man – manchmal jahrelang. Warum passiert das? Ein Schlüssel zum Verständnis liegt in unserem Bindungssystem. Es kann uns helfen, empathischer mit uns selbst umzugehen, wenn wir kognitiv wissen, dass das Bindungssystem auch Biologie ist.

Warum wir oft zu lange in toxischen Beziehungen bleiben – ein Blick auf das Bindungssystem
Viele Menschen kennen das: Man ist unglücklich in einer Partnerschaft, erlebt eventuell sogar emotionale, körperliche oder sexuelle, Gewalt oder merkt auch einfach nur, dass etwas nicht stimmt, aber trotzdem bleibt man – manchmal jahrelang. Warum passiert das? Ein Schlüssel zum Verständnis liegt in unserem Bindungssystem.
Das Bindungssystem: Unser innerer Kompass für Nähe und Sicherheit
Schon als Babys entwickeln wir ein Bindungssystem, das uns hilft, Nähe und Sicherheit bei unseren Bezugspersonen zu suchen und zu regulieren. Dieses System entscheidet, wann wir Nähe wollen, wann wir uns zurückziehen und wie wir auf Stress in Beziehungen reagieren. Es prägt unsere Erwartungen und unser Verhalten in Partnerschaften ein Leben lang.
Bindungsexperten unterscheiden grob drei Muster:
- Sichere Bindung
Menschen mit sicherer Bindung vertrauen darauf, dass Nähe und Unterstützung möglich sind. Konflikte lassen sich besprechen, Trennungsschmerz kann verarbeitet werden. Wir können Hilfe gut annehmen. - Ängstliche Bindung
Wer ängstlich gebunden ist, sehnt sich stark nach Nähe, fürchtet aber gleichzeitig Zurückweisung. In Beziehungen ist das oft zu viel Fürsorge und Kontrolle auf beiden Seiten. - Vermeidende Bindung
Menschen mit vermeidender Bindung haben Angst vor Nähe. Sie ziehen sich zurück, wenn es emotional intensiv wird, und wirken oft distanziert oder unnahbar. - Ambivalent-vermischte Muster
Viele Menschen haben auch Mischformen, z. B. ängstlich-vermeidend: Sie wollen Nähe, fürchten sie aber gleichzeitig.
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Warum wir toxische Beziehungen oft zu lange aushalten
Unser Bindungssystem erklärt auch, warum wir manchmal in ungesunden Beziehungen verharren:
1. Angst vor Verlust
Wer ängstlich gebunden ist, bleibt oft aus Angst, verlassen zu werden. Selbst wenn die Beziehung schmerzt, fühlt sich Trennung bedrohlicher an als das Unglücklichsein.
2. Hoffnung auf Veränderung
Unser Gehirn liebt Belohnungen – auch kleine Signale von Zuneigung oder Liebe können Hoffnung erzeugen. Bei toxischen Beziehungen sind die Momente der Nähe oft kurz, aber intensiv: Das erzeugt eine Art „emotionale Sucht“.
3. Vermeidung unangenehmer Gefühle
Menschen mit vermeidender Bindung bleiben manchmal in Beziehungen, um Konflikten auszuweichen oder sich nicht mit der eigenen Einsamkeit auseinanderzusetzen.
4. Frühere Bindungserfahrungen
Wer in der Kindheit unsichere Bindungen erlebt hat, neigt später eher dazu, in problematischen Beziehungen zu verharren – weil das vertraute Muster „Beziehung = Stress + Nähe“ ist.
5. Gesellschaftlicher Druck
Manchmal bleibt man aus äußeren Gründen: Kinder, gemeinsame Wohnung, gesellschaftliche Erwartungen. Diese Faktoren verstärken die inneren Bindungsmechanismen.
Die Folgen
Das lange Verweilen in toxischen Beziehungen kann zu:
- emotionaler Erschöpfung
- vermindertem Selbstwertgefühl
- chronischem Stress
- psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen
- Traumafolgesymptomen oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung
führen.
Wege aus dem Kreislauf
- Selbstreflexion
Eigene Bindungsmuster erkennen. Bin ich ängstlich, vermeidend oder sicher gebunden? - Emotionale Distanz schaffen
Abstand kann helfen, die eigenen Gefühle klarer zu sehen. - Unterstützung suchen
Freunde, Therapeut:innen oder Selbsthilfegruppen können Halt geben. - Realistische Erwartungen
Toxische Beziehungen ändern sich selten von selbst. Akzeptiere, dass Trennung manchmal der gesündeste Schritt ist. - Neue Muster üben
Sichere Bindung kann erlernt werden – durch klare Kommunikation, gesunde Grenzen und vertrauensvolle Beziehungen.
Fazit
Unser Bindungssystem bestimmt stark, wie wir Beziehungen erleben – und warum wir manchmal zu lange in ungesunden Partnerschaften bleiben. Das Bewusstsein für die eigenen Muster kann der erste Schritt sein, um toxische Beziehungen zu erkennen und sich daraus zu befreien. Liebe sollte Sicherheit, Respekt und Wachstum bedeuten – nicht Dauerstress und Angst.
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