Warum wir oft zu lange in toxischen Beziehungen bleiben

Florian Friedrich • 26. Dezember 2025

Ein Blick auf das Bindungssystem

Viele Menschen kennen das: Man ist unglücklich in einer Partnerschaft, merkt, dass etwas nicht stimmt, aber trotzdem bleibt man – manchmal jahrelang. Warum passiert das? Ein Schlüssel zum Verständnis liegt in unserem Bindungssystem. Es kann uns helfen, empathischer mit uns selbst umzugehen, wenn wir kognitiv wissen, dass das Bindungssystem auch Biologie ist.

Warum wir oft zu lange in toxischen Beziehungen bleiben

Warum wir oft zu lange in toxischen Beziehungen bleiben – ein Blick auf das Bindungssystem

Viele Menschen kennen das: Man ist unglücklich in einer Partnerschaft, erlebt eventuell sogar emotionale, körperliche oder sexuelle, Gewalt oder merkt auch einfach nur, dass etwas nicht stimmt, aber trotzdem bleibt man – manchmal jahrelang. Warum passiert das? Ein Schlüssel zum Verständnis liegt in unserem Bindungssystem.



Das Bindungssystem: Unser innerer Kompass für Nähe und Sicherheit

Schon als Babys entwickeln wir ein Bindungssystem, das uns hilft, Nähe und Sicherheit bei unseren Bezugspersonen zu suchen und zu regulieren. Dieses System entscheidet, wann wir Nähe wollen, wann wir uns zurückziehen und wie wir auf Stress in Beziehungen reagieren. Es prägt unsere Erwartungen und unser Verhalten in Partnerschaften ein Leben lang.

Bindungsexperten unterscheiden grob drei Muster:

  1. Sichere Bindung
    Menschen mit sicherer Bindung vertrauen darauf, dass Nähe und Unterstützung möglich sind. Konflikte lassen sich besprechen, Trennungsschmerz kann verarbeitet werden. Wir können Hilfe gut annehmen.
  2. Ängstliche Bindung
    Wer ängstlich gebunden ist, sehnt sich stark nach Nähe, fürchtet aber gleichzeitig Zurückweisung. In Beziehungen ist das oft zu viel Fürsorge und Kontrolle auf beiden Seiten.
  3. Vermeidende Bindung
    Menschen mit vermeidender Bindung haben Angst vor Nähe. Sie ziehen sich zurück, wenn es emotional intensiv wird, und wirken oft distanziert oder unnahbar.
  4. Ambivalent-vermischte Muster
    Viele Menschen haben auch Mischformen, z. B. ängstlich-vermeidend: Sie wollen Nähe, fürchten sie aber gleichzeitig.

Toxische Beziehung: Welche Warnzeichen gibt es? | Frau TV | WDR

Warum wir toxische Beziehungen oft zu lange aushalten

Unser Bindungssystem erklärt auch, warum wir manchmal in ungesunden Beziehungen verharren:

1. Angst vor Verlust

Wer ängstlich gebunden ist, bleibt oft aus Angst, verlassen zu werden. Selbst wenn die Beziehung schmerzt, fühlt sich Trennung bedrohlicher an als das Unglücklichsein.

2. Hoffnung auf Veränderung

Unser Gehirn liebt Belohnungen – auch kleine Signale von Zuneigung oder Liebe können Hoffnung erzeugen. Bei toxischen Beziehungen sind die Momente der Nähe oft kurz, aber intensiv: Das erzeugt eine Art „emotionale Sucht“.

3. Vermeidung unangenehmer Gefühle

Menschen mit vermeidender Bindung bleiben manchmal in Beziehungen, um Konflikten auszuweichen oder sich nicht mit der eigenen Einsamkeit auseinanderzusetzen.

4. Frühere Bindungserfahrungen

Wer in der Kindheit unsichere Bindungen erlebt hat, neigt später eher dazu, in problematischen Beziehungen zu verharren – weil das vertraute Muster „Beziehung = Stress + Nähe“ ist.

5. Gesellschaftlicher Druck

Manchmal bleibt man aus äußeren Gründen: Kinder, gemeinsame Wohnung, gesellschaftliche Erwartungen. Diese Faktoren verstärken die inneren Bindungsmechanismen.

Die Folgen

Das lange Verweilen in toxischen Beziehungen kann zu:

  • emotionaler Erschöpfung
  • vermindertem Selbstwertgefühl
  • chronischem Stress
  • psychischen Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen
  • Traumafolgesymptomen oder einer Posttraumatischen Belastungsstörung

führen.

Wege aus dem Kreislauf

  1. Selbstreflexion
    Eigene Bindungsmuster erkennen. Bin ich ängstlich, vermeidend oder sicher gebunden?
  2. Emotionale Distanz schaffen
    Abstand kann helfen, die eigenen Gefühle klarer zu sehen.
  3. Unterstützung suchen
    Freunde, Therapeut:innen oder Selbsthilfegruppen können Halt geben.
  4. Realistische Erwartungen
    Toxische Beziehungen ändern sich selten von selbst. Akzeptiere, dass Trennung manchmal der gesündeste Schritt ist.
  5. Neue Muster üben
    Sichere Bindung kann erlernt werden – durch klare Kommunikation, gesunde Grenzen und vertrauensvolle Beziehungen.



Fazit

Unser Bindungssystem bestimmt stark, wie wir Beziehungen erleben – und warum wir manchmal zu lange in ungesunden Partnerschaften bleiben. Das Bewusstsein für die eigenen Muster kann der erste Schritt sein, um toxische Beziehungen zu erkennen und sich daraus zu befreien. Liebe sollte Sicherheit, Respekt und Wachstum bedeuten – nicht Dauerstress und Angst.

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