Transidentität - Neue Perspektiven in der Psychotherapie

Florian Friedrich • 23. Oktober 2024

Ein Plädoyer an Psychotherapie und psychologische Beratung

„Ich empfinde mich als transzendenten Menschen, der fähig ist, verschiedene Gegensätze in sich zu vereinigen und zu synthetisieren und an der Auflösung dieser Widersprüche zu wachsen. Diese Harmonisierung besteht in der Dekonstruktion der Widersprüche, also im Anliegen, dass dieser Widerspruch »Frau mit Penis« kein natürlicher, sondern ein gesellschaftlich konstruierter ist.“
(Jacqueline Born )

Transidentität - Neue Perspektiven in der Psychotherapie

Wertvolle Erkenntnisse

Die Beschäftigung mit trans*Identität bzw. Transsexualität stellt für Psychologie und Psychotherapie eine große Bereicherung dar und liefert uns wertvolle Erkenntnisse und neue Perspektiven. Das Phänomen der trans*Identität ist nämlich eine Chance, die uns als Gesellschaft neue kreative Räume eröffnen kann, in denen wir frei und selbstbestimmt leben dürfen. Dabei sind drei zentrale Einsichten von Bedeutung:


1. Infragestellen der Geschlechterkategorien von männlich und weiblich

Trans*Geschlechtlichkeit regt uns an, die Dichotomie der Geschlechterkategorien fundamental in Frage zu stellen. Sie könnte in einer reiferen Gesellschaft Freiräume für ganz individuelle und einzigartige Lebensentwürfe schaffen. Darüber hinaus führt sie uns vor Augen, dass es nicht lediglich zwei Geschlechter gibt und dass sich nicht alle Menschen a priori den beiden Kategorien „Frauen“ oder „Männer“ zuordnen lassen. Geschlechtsidentitäten sind weder nur biologisch noch nur natürlich determiniert, sondern immer auch von der Kultur, der Zeit und der Sozietät, in der wir leben.


Ein Leben zwischen den Geschlechtern

Unsere Gesellschaft muss sich der kritischen Frage stellen, ob sie nicht selbst Transsexualität produziert, indem sie nicht bereit ist, trans*Personen so zu akzeptieren und zu fördern, wie sie sind, wie sie sich fühlen, spüren und wie sie leben möchten. Trans*idente Menschen möchten oft die binären Geschlechtergrenzen sprengen und etwa zwischen den Geschlechtern oder mit mehreren sozialen Geschlechterrollen leben. Dies bestraft unser gesellschaftliches System allerdings mit Stigmatisierung, Diskriminierung, Gewalt und Ausschluss, sodass die Betroffenen regelrecht in die hormonelle und chirurgische Angleichung an das Gegengeschlecht hineingezwungen werden. Dies ist jedoch für viele trans*Menschen nicht stimmig oder passend, etwa für genderfluide Menschen.

Filmtipp: Wer bin ich? - Trans*-Jugendliche zwischen Identitätsfragen und Tabus | WDR Doku

Es kann sehr schwer sein, als trans*Mensch einen freien Psychotherapieplatz zu finden.



2. Das Konzepts von Sex und Gender wird in Frage gestellt

Die Trennung von biologischem Geschlecht (Sex) und sozialem Geschlecht (Gender) wird in Frage gestellt. Das Konzept von Sex und Gender wird zurecht kritisiert, naturalisiert und biologisiert es doch die Zweigeschlechtlichkeit. Diese binäre Konstruktion ist biologistisch. Es wird in Zukunft relevant sein, die soziale Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit selbst zu dekonstruieren.
Das Modell der patriarchalen Zweigeschlechtlichkeit verteilt die Rollen, Aufgaben und Privilegien höchst ungleich zugunsten des männlichen Geschlechts. Dabei geht es allerdings nicht nur um männliche Machtansprüche, sondern auch um die Aufrechterhaltung neoliberaler Strukturen. Dies wird in der Gender-Diskussion oft übersehen.

Das Patriarchat ist auch ein ökonomisches; „Mann-Sein“ und „Frau-Sein“ können sich zwar verändern, sogar einander angleichen, allerdings lediglich in sozialintegrativen Nischen. Da Männer aufgrund der geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung oft als Väter abwesend sind, fehlen Jungen männliche Bezugsfiguren, sodass diese gezwungen sind, sich „negativ“ über ihre Mütter und andere weibliche Bezugspersonen zu identifizieren. Damit geht eine unbewusste Abwertung der Frauen einher und eine Erschwernis für Jungen, sich ein Bild von sich selbst und ihrem „Mannsein“ zu machen.


Jungen und Männer werden instrumentalisiert

Hinzu kommt eine Erziehung und Sozialisation der Jungen und männlichen Jugendlichen zu einer unbedingten Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt. Emotionen, authentische Gefühle und Bedürfnisse und Einstellungen, die dieser Verfügbarkeit entgegenstehen, müssen Jungen und Männern verwehrt bleiben. Viele Jungen werden noch immer so sozialisiert, dass sie alles Emotionale als „Schwäche“ abwerten und abspalten Dies führt zu einer prekären männlichen Geschlechtsidentität und zu einem falschen Selbst.
Hätten wird das Modell von nur einem Geschlecht, so könnte dies zu mehr Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung führen. Darüber hinaus wird das biologische Geschlecht aus ideologischen Gründen sozial determiniert.


3. Das biologischen Geschlecht wird sozial determiniert

Nicht allein die Geschlechterrollen, sondern auch das biologische Geschlecht ist eine soziale Konstruktion. Die Bedeutung, welche den körperlichen Funktionen und Geschlechtsmerkmalen zugewiesen wird, ist sozial determiniert. An diese Bedeutung werden biologisch begründete Rollenvorstellungen geknüpft, bei denen es sich um Fehlschlüsse handelt Dies führt zur Dominanz der Männer über die Frauen. Insofern schlussfolgert der Psychoanalytiker Udo Rauchfleisch:
 
„Die Transidentität könnte so geradezu zu einem Paradigma für die Anerkennung von Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung werden, die sich vom Diktat der Geschlechterrollen frei macht.“
(Udo Rauchfleisch [2006)]: Transsexualität – Transidentität. Begutachtung, Begleitung und Therapie. Göttingen)

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